von Tussifreunde » Do 10 Dez, 2009 11:50
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Ein Jahr Gefängnis bei Manipulationen von Tachos und Geschwindigkeitsbegrenzern
Am 18. August 2005 ist eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes in Kraft getreten, mit der betrügerischen Manipulationen an Tachometern bei Gebrauchtwagen entgegengewirkt werden soll.
Tachobetrug hat sich zum Volkssport entwickelt. Die DEKRA schätzt, dass an jedem dritten Gebrauchtwagen in Deutschland der Tacho zurückgestellt wurde. Durch Zurückstellen der Tachos werden nicht nur Gebrauchtwagenkäufer geschädigt. Getäuscht werden auch Autohersteller über die Laufleistung während der Garantie, Leasingfirmen und Autovermieter über die tatsächlich gefahrenen Kilometer und Versicherer über den Wert von Fahrzeugen. Der ADAC hat den Schaden durch Tachobetrüger auf zwei Milliarden EUR jährlich geschätzt und deshalb wiederholt schärfere Gesetze gefordert.
Es fiel auf, mit welcher Dreistigkeit im Internet ungeniert das Zurückdrehen von Kilometerzählern angeboten wurde. Bei Klein- und Mittelklassewagen wurde für 50 bis 100 EUR der "Wunschkilometerstand" eingestellt. Auf diese Weise konnte dann beim Weiterverkauf des Fahrzeugs ein Mehrerlös von 500 bis 1.000 EUR erzielt werden. Bei jüngeren Modellen von Luxusfahrzeugen kostete das Zurückstellen des Tachos zwar bis 1.500 EUR. Allerdings konnte in diesen Fällen auch ein entsprechend höherer Mehrerlös von mehreren tausend Euro erzielt werden.
Den "Tachojustierern" schien jedes Problem- und Unrechtsbewusstsein zu fehlen. Ihnen wurde die Arbeit erleichtert, weil Diagnosegeräte mit entsprechenden Computerprogrammen problemlos im Internet zu erwerben waren. Zudem hinterließ das Zurückstellen der Tachos keinerlei Spuren. Der ADAC musste sogar einen Versuch, Tachomanipulationen an verschiedenen Fahrzeugen aufzudecken, abbrechen, weil es derzeit keine technischen Möglichkeiten gibt, sie nachzuweisen. Auch die Justiz schien relativ hilflos, nachdem der Bundesgerichtshof 1979 entschieden hatte, dass eine Veränderung des Kilometerstandes nicht als "Fälschung einer technischen Aufzeichnung" strafrechtlich verfolgt werden könne. Der Umstand allein, dass der Verkäufer eines Kfz mit zurückgedrehtem Tacho sich strafrechtlich eines Betruges und zivilrechtlich einer arglistigen Täuschung schuldig machte, hielt die Tachojustierer nicht davon ab, ihre Vorbereitungshandlungen dazu im Internet öffentlich anzubieten.
Nachdem mit täuschungssicheren Tachometern von der Industrie in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann, sah sich der Gesetzgeber gezwungen, einzugreifen. Seit 18.08.2005 sind durch § 22 b Straßenverkehrsgesetz Manipulationen an Kilometerzählern mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bedroht.
Seitdem weisen die Firmen, die bisher Tachometereinstellungen im Internet angeboten haben, darauf hin, dass Tachoeinstellungen künftig in Deutschland nicht mehr angeboten werden, weil man sich nicht strafbar machen wolle. Man arbeite aber bereits an anderen Möglichkeiten. Das "Justieren" von Tachos wird nach wie vor angeboten.
Das Ausweichen auf "Tachojustierung" wird allerdings künftig nicht ganz unproblematisch sein, weil nach dem Willen des Gesetzgebers auch diejenigen bestraft werden sollen, die entsprechende Computerprogramme herstellen, sich oder einem anderen verschaffen, feilhalten oder einem anderen überlassen. Damit sind jetzt auch schon Vorbereitungshandlungen zur Tachomanipulation strafbar.
Bei dieser Gelegenheit hat der Gesetzgeber in § 22 b Straßenverkehrsgesetz auch die mit erheblichen Strafen bedroht, die Geschwindigkeitsbegrenzer in LKWs und Bussen verändern oder manipulieren. Auf diese Weise soll Unfällen von Omnibussen, entgegengewirkt werden, die – wie bei Lyon - auf Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zurückzuführen sind.
Leider kann der Gebrauchtwagenkäufer nicht erwarten, durch die neue gesetzliche Regelung umfassend geschützt zu werden. Die Gefahr von Tachomanipulationen besteht nach wie vor. Dem Gebrauchtwagenkäufer kann deshalb nur empfohlen werden, im Einzelfall anhand sämtlicher Umstände zu überprüfen, ob der abgelesene Tachostand mit der tatsächlich gefahrenen Kilometerzahl übereinstimmen kann.
Anhaltspunkte für eine versuchte Täuschung über den tatsächlichen Kilometerstand können sich ergeben aus dem Serviceheft, aus Werkstattrechnungen über Inspektionen und Ölwechsel sowie aus TÜV- und Abgasuntersuchungsbescheinigungen. Auch der Zustand von Pedalgummis, der Sitze oder der Reifen können Anhaltspunkte für das wirkliche Alter des Fahrzeugs liefern. Schließlich kann auch die Anzahl der Jahreskilometer Hinweise auf eine Tacho-Manipulation geben. Erfahrungsgemäß werden jährlich mit Luxuslimousinen ca. 20.000 Kilometer, mit Mittelklassefahrzeugen etwa 15.000 Kilometer und mit Kleinwagen ca. 10.000 Kilometer jährlich zurückgelegt.
Autor: Herr Rechtsanwalt Dr. Klaus van der Velden
20.08.2005